In den PARAVAN-Fahrschulen im Mobilitätspark-Aichelau und in der Niederlassung Heidelberg können Menschen mit Handicap ihre Führerscheinausbildung absolvieren. Ein umfangreicher Fuhrpark mit verschiedenen flexibel anpassbaren Fahrzeugen macht es möglich, dass zum Beispiel die nur 85 Zentimeter große Marina entspannt ihre praktische Fahrausbildung absolvieren kann.
Seit gut drei Wochen absolviert Marina ihre praktische Fahrausbildung bei der PARAVAN Fahrschule im Mobilitätspark Aichelau. „Erste Fahrten gingen rund um Aichelau", berichtet die 31-jährige, die extra aus dem Rheinland auf die Schwäbische Alb gekommen ist. "Es geht schon ganz gut, aber es ist anspruchsvoller als gedacht." Die Sozialpädagogin fährt mit dem Fahr- und Lenksystem Space Drive und zwei individuell platzierten Joysticks, links für Gas und Bremse und mit der rechten Hand lenkt sie. Aufgrund ihrer kurzen Arme und ihrer geringen Muskelkraft ist ein Lenken mit dem klassischen Lenkrad nicht möglich.
Doch im individuell auf die Fahrschüler anzupassenden Schulungsauto stellt das kein Problem dar. Alles ist flexibel anpassbar und kann auch noch variiert werden. Die Sekundärfunktionen des Fahrzeuges bedient Marina mit der Sprachsteuerung. „Jetzt in Ruhe Gas geben und mit etwas Schwung in die Kurve", ermutigt Fahrlehrer Ralf Buhmann und lobt: „Navigieren mit dem Joystick geht schon ganz gut. Jetzt muss noch die Geschwindigkeit kommen und die Sicherheit.“ Demnächst stehen Fahrten in der Stadt auf dem Plan. Vier bis fünf Wochen hat sie sich Zeit genommen. "Für mich ist das Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, die ich hier erlebe. Es ist noch einmal eine ganz andere Perspektive vom Fahrersitz und es macht so viel Spaß", sagt Marina, die demnächst selbständig zur Arbeit fahren möchte.
Ihre theoretische Fahrausbildung hat Marina in ihrer Heimatstadt absolviert. Neben Fahranfängern kommen auch Wiedereinsteiger in die PARAVAN-Fahrschulen. Menschen, die erst im Laufe ihres Lebens erkrankt sind oder einen Unfall erlitten haben, können mit entsprechenden Auflagen, die im verkehrsmedizinischen Gutachten vermerkt sind, unter bestimmten Bedingungen wieder ihren Führerschein erlangen. „Wichtig ist, den Führerschein nicht gleich abzugeben“, sagt Fahrlehrer Ralf Buhmann. „Nach einem Unfall oder Erkrankung sollte man erst einmal Kontakt mit einem Verkehrsmediziner suchen und sich beraten lassen.“ In diesem Gutachten ist die Voraussetzung für die Zulassung zur Fahrausbildung und attestiert die Fahrtüchtigkeit unter bestimmten technischen Voraussetzungen. Dann kann die Ausbildung starten. Ein technisches Gutachten bestätigt die Funktionalität und den korrekten Umgang mit den nötigen Anpassungen.
Insgesamt verfügt die PARAVAN-Fahrschule am Stammsitz über fünf Fahrzeuge: zwei Mercedes Sprinter und einen Peugeot Traveller, ausgestattet mit dem Fahr- und Lenksystem Space Drive sowie verschiedenen elektromechanischen Handgeräten und einer sogenannten „leichten Lenkung von 10 bzw. 6 Newton (N)“, wenn die Kräfte nachlassen, aber der Umstieg auf Joystick jedoch noch nicht notwendig ist. Für FahrschülerInnen, die noch umsetzen können, gibt es zudem zwei weitere Ausbildungsfahrzeuge, ausgestattet unter anderem mit elektrischen Rutschbrettern sowie elektromechanischen Fahr- und Lenkhilfen. Ein weiterer Fahrlehrer, Carsten Seidler betreibt die Fahrschule in der PARAVAN-Niederlassung Heidelberg. Auch dort ist eine hochspezialisierte Fahrausbildung mit den nötigen Kraftmessungen im Vorfeld sowie Space Drive und den unterschiedlichsten Eingabegeräten möglich.
Die Fahrlehrer, die über eine entsprechende Weiterbildung verfügen, können in Verbindung mit dem passenden Schulungsfahrzeug Menschen mit körperlichen Einschränkungen ausbilden. Die PARAVAN-Fahrlehrer beraten gern und schulen entsprechend. Außerdem suchen sie aktuell neue Kollegen. „Man benötigt viel Geduld und Verständnis. Das ist das Wichtigste“, sagt Buhmann. Doch die Begeisterung der Schüler für die Ausbildung ist einzigartig und nicht mit einer herkömmlichen Fahrschule zu vergleichen. „Die Aussicht der Fahrschüler, nach erfolgreich abgelegter Fahrprüfung wieder unabhängig von anderen am Leben teilzuhaben ist die größte Motivation. Für den Fahrlehrer der größte Lohn ist, im Anschluss in die glücklichen Gesichter zu schauen. Denn selbstständig ein Fahrzeug steuern zu können, bedeutet am Ende ein deutliches Plus an Lebensqualität.
Marina hat es geschafft, jetzt hat sie ihren Führerschein! Die Anspannung war groß, die Freude über die bestandene praktische Prüfung umso größer! "In der Stadt fühle ich mich wohler, da ist es entspannter, kleiner und sicherer", erzählt sie. "Auf der Landstraße oder Autobahn wird man überholt, mit den hohen Geschwindigkeiten tue ich mich noch etwas schwer." Nach der Pflicht folgt die Kür. Die Auswahl des Autos, die individuelle Anpassung des Sitzes und der damit verbundene Antragsmarathon stehen an. Das genaue Auto steht noch nicht fest, aber es muss mindestens so groß sein, dass "ich mit dem Rollstuhl mit dem Kassettenlift ins Auto komme", so der Plan. Nun hofft sie, in einem Jahr selbst fahren zu können. „Dann habe ich eines meiner größten Ziele in Sachen Unabhängigkeit erreicht“, strahlt Marina.
Fünf Meilensteine zum Führerschein
Am Anfang steht die verkehrsmedizinische Begutachtung. Dabei prüft ein spezialisierter Arzt die kognitiven Fähigkeiten. Spricht nichts dagegen, kann eine spezialisierte Fahrschule mit modifizierten Fahrschulfahrzeugen gesucht werden. Dabei wird geprüft, welche Hilfsmittel benötigt werden. Am Ende steht ein technisches Gutachten - Grundlage für den behindertengerechten Fahrzeugumbau beim Umrüster. Im Anschluss folgt die Fahrschulausbildung, die mit der Fahreignungsprüfung bzw. der praktischen Fahrprüfung für Führerscheinneulinge abgeschlossen wird. Hier muss der Prüfling beweisen, dass er sein Fahrzeug mit den entsprechenden Umbaumaßnahmen absolut sicher im Straßenverkehr beherrscht. Im Anschluss wird der Führerschein ausgehändigt. Nun geht es an die Auswahl eines geeigneten Grundfahrzeuges. Je nach Fall, können für den Fahrzeugumbau Anträge auf Kostenübernahme gestellt werden.