Marina Schömig aus Hettstadt bei Würzburg ist mobil. Der für sie individuell umgebaute und angepasste Ford Kuga, unter anderem mit einem angepassten Lenkjoystick macht es möglich. Die junge Frau absolviert seit zwei Jahren eine Ausbildung zur Erzieherin. Um später ihren Beruf ausüben zu können – ohne ständig auf fremde Hilfe angewiesen zu sein – benötigt die 19-jährige ein eigenes behindertengerechtes Auto. Marina leidet an einer Dysmelie, einer angeborenen Fehlbildung der Arme. Vor allem beim Lenken und Schalten sowie bei der Bedienung der Sekundärfunktionen eines Fahrzeuges ist sie auf technische Unterstützung angewiesen.
„Eigentlich ist mein Vater darauf gekommen“, berichtet Marina. Zuerst hatte sie versucht mit einem ganz normalen Auto klar zu kommen, doch in der Fahrschule für Behinderte wurde schnell klar, das sie einen Joystick zum Lenken benötigt. Mit Paravan wurde ein Umrüster gefunden, der technisch dazu in der Lage ist, die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Von der Höhe her bot sich ein SUV an. „Eigentlich habe ich den Ford auf einem Parkplatz entdeckt“, erinnert sich Marina Schömig, „und statt Kuga ‚Kiga‘ – wie Kindergarten – gelesen. Da wusste ich, das ist meins.“
Im Sommer 2017 hat Marina Schömig ihren Führerschein erworben. Nach einem medizinischen Gutachten, welches ihr die Fahrtauglichkeit bescheinigte, absolvierte sie zuhause die theoretische Fahrprüfung. Zum praktischen Teil kam sie in das Mobilitätszentrum nach Aichelau. Am Fahrschulfahrzeug wurde ein Lenkjoystick, speziell für ihre Hand, angepasst. „Trotz ihres Krankheitsbildes verfügt sie über ausreichende Kraft in der Hand, um ein Fahrzeug zu lenken“, berichtet Paravan-Fahrlehrer Igino Farnhamer. In gut zweieinhalb Wochen absolvierte sie ihre Space-Drive-Ausbildung. „Es war ganz ungewohnt“, erinnert sie sich, „weil es ein riesiges Auto war.“ Mit der Technik kam sie schnell zurecht. „Ich wusste sofort, dass es der richtige Weg war und obendrein war es ein Riesenspaß.“
Ausgestattet ist das das Fahrzeug unter anderem mit einer Space-Drive Lenkung, einer automatischen Türöffnung, Sitz- und Anschnallsystem, ganz individuell angepasst sowie einer Sprachsteuerung. „Viel mehr kann man eigentlich an Elektronik nicht mehr einbauen“, berichtet Joachim Glück, von der Paravan GmbH und zuständig für die technische Beratung. Gut 250 bis 300 Stunden dauert so ein Umbau, der in diesem Fall von der Arbeitsagentur finanziert wird. „Zuerst wird der gesamte Innenraum vom Paravan-Konstrukteur gescannt, um die anstehenden Umbauten optimal anpassen zu können“, berichtet Techniker Bernhard Dank, der den Umbau umgesetzt hat.
Per Smartphone-App oder Tastschalter an der Schwellerunterseite kann Marina Schömig das Fahrzeug zukünftig öffnen. Zu diesem Zweck wurde ein Motor an der Tür installiert, ebenso wie der Beckengurt, als Teil des speziell für sie angepassten Gurtsystems, das zudem aus einem Bügelsystem besteht. Hat die Fahrerin Platz genommen, schließen die Gurte per Knopfdruck und der speziell angepasste Lenkjoystick sowie das Paravan-Touch-Pad fährt in Position. Mit drei Fingern lenkt die angehende Erzieherin das Fahrzeug, gesteuert über das drive-by-wire-System „Space Drive“. Gas und Bremse betätigt sie mit den Füßen. Blinker, Scheibenwischer, Automatikschaltung, wie auch Sonnenblende oder Lüftung werden per Sprachsteuerung „PARAVAN Voice Control“, mit der bis zu 100 Sekundärfunktionen bedient werden können, gesteuert. Das war Marina Schömig wichtig. „Da komme ich nicht dran.“
„Alles was mit dem Touch-Pad geht, kann sie auch via Smartphone-App erledigen“, erläutert Bernhard Dank, „bis hin zur Sitzverstellung.“ Dank ihrer Körpergröße konnte das Gurtsystem an der B-Säule installiert werden. Damit konnten die dahinterliegenden zwei Plätze auf der Rücksitzbank erhalten werden. Das war Marina wichtig. „Wenn ich irgendwo hinfahre, dann fahre ab jetzt ich“, sagt sie. Wäre das Gurtsystem weiter hinten installiert, hätte sie nur zwei Passagiere mitnehmen können. Auf dem speziell angepassten Sitz kann auch jeder Normalfahrtaugliche Platz nehmen. „Dann wird das Gurtsystem weggeschwenkt und das Space-Drive-System deaktiviert“, sagt der Techniker. Die inklusive Nutzung des Fahrzeuges ist Marina Schömig, wie auch vielen anderen Kunden, wichtig – wenn beispielsweise mal ein Familienmitglied fahren muss oder es zum Kundendienst geht.
Zur Übergabe wird das Fahrzeug final angepasst, zum Beispiel mit individuell gefertigten Bedienelementen oder das Bügelsystem für den Gurt. „Marina Schömig wird in ihrem Fahrersitz im Vergleich zum herkömmlichen Drei-Punkt-Gurt relativ starr angeschnallt. Deshalb müssen die Sachen ganz exakt angepasst sein“, erklärt Dank. Auch die elektrischen Funktionen werden ganz individuell nach ihren Wünschen definiert. Am Ende steht die abschließende TÜV-Begutachtung auf dem Plan, bei der Marina Schömig mit dem fertigen Fahrzeugumbau abschließend vorfährt.
Zukünftig wird sie dann nicht mehr auf Hilfe angewiesen sein und selbständig mit dem Auto zur Schule fahren können. Denn selbst bei der täglichen Fahrt mit dem Bus benötigt Schömig im Moment Begleitung. „Ich kann die Busfahrkarte nicht aus der Hand legen oder den Rucksack absetzen“, erklärt sie, so habe sie keinen Halt. Das sei eine große Entlastung, auch für die gesamte Familie. Im kommenden Jahr möchte sie dann ein paar Tage mit Freunden auf Tour, etwas zurückgeben. „Aber jetzt habe ich erst einmal mal die drei Stunden nach Hause zu fahren“, sagt sie. Davor habe sie etwas Respekt und sich schon Mal Unterstützung von Freunden besorgt.