PFRONSTETTEN-AICHELAU. „So kommen wir nicht raus“, sagt Fahrlehrer Ralf Buhmann. Eleni Fischer sitzt in ihrem neu umgebauten Auto. Die erste Probefahrt nach der Fahrschulprüfung vor knapp einem Jahr steht an. „Rückwärts einschlagen nach rechts. Klappt doch“ ermuntert der Fahrlehrer. „Dann dürfen Sie jetzt mal die Bremse drücken und ich übergebe Ihnen das Fahrzeug.“ Eleni Fischer hatte vor gut 30 Jahren einen Badeunfall und ist nach einem Halswirbelbruch auf den Rollstuhl angewiesen. Da war sie 16 Jahre alt.
Seit Februar kann Eleni Fischer mit ihrem angepassten VW T6 Bulli selbständig auf Arbeit fahren. „Ich kann selbst bestimmen, wann ich losfahre. Das hat mich angespornt den Führerschein zu machen“, berichtet die 47-Jährige. Auf PARAVAN aufmerksam ist sie durch eine Freundin geworden. „Space Drive und Sprachsteuerung, das kann nur PARAVAN“, hat sie damals gesagt.
Über den PARAVAN Kassettenlift fährt sie mit dem Aktiv-Rollstuhl direkt vor das Lenkrad. Das Auto öffnet die Angestellte mit einer App über ihr Handy. „Kassettenlift aufräumen“, diktiert sie im Anschluss der Sprachsteuerung PARAVAN Voice Control. Über das Easylock-System ist ihr Rollstuhl fest mit dem Fahrzeugboden verankert. Eine spezielle Rückenlehne gib ihr zusätzlichen Halt nach hinten, fährt automatisch an die Rollstuhllehne. Über ein spezielles Gurtsystem schnallt sich Eleni Fischer an. Steuern wird sie das behindertengerechte Auto über das elektronische Fahr- und Lenksystem Space Drive, mit einem Gas-Bremsschieber (links) und einem Minilenkrad (rechts). „Die Sprachsteuerung ist für mich das wichtigste im Auto, neben dem Space-Drive-System“. Unterstützt wird sie durch allerlei Assistenten, wie zum Beispiel eine Vor- und Rückfahrsensorik oder eine 360-Grad-Rundumsicht.
„Mit 46 Jahren habe ich meinen Führerschein gemacht. Nach 30 Jahren, man ist nie zu alt“, sagt sie. Damit war Eleni Fischer die älteste PARAVAN-Fahrschülerin. Im Februar 2019 war sie vier Wochen in Aichelau zur praktischen Fahrausbildung. „Unglaublich, komme ich hierher und sehe nach 30 Jahren Schnee“, erinnert sie sich. „Bei Trockenheit und Sonnenschein kann es jeder“, sagt Buhmann. Eigentlich seien solche Bedingungen für den Fahrschüler nahezu ideal. „Das nimmt die Angst, wenn der Fahrschüler später mit solch einer Situation konfrontiert wird.“
Bevor es auf die Straße geht, werden im PARAVAN Mobilitätspark noch letzte Anpassungen vorgenommen. „So ein Fahrzeug muss perfekt wie ein Maßanzug passen“, sagt Mobilitätsberater Joachim Glück. Die Lehne, auf dem der Arm für die Bedienung des Minilenkrad liegt, hatte noch nicht die optimale Höhe. „Passt es jetzt“, fragt PARAVAN-Techniker Eduard Knaub, der für den Umbau verantwortlich war. „Es ist ganz wichtig, dass sie den Kontakt hat.“ Bis ins letzte Detail prüft er die Anpassungen, damit Eleni Fischer später auch entspannt über mehrere Stunden Auto fahren kann. „Jetzt spüre ich den Halt besser“, bestätigt die 47-jähige, „auch am Ellbogen“. Auch das Minilenkrad wurde noch einmal von Techniker Knaub justiert. Während der Testfahrt wird noch einmal genau kontrolliert, ob auch nach einer Stunde Fahrt noch alles perfekt sitzt. „Die perfekte Ablage ist wichtig, damit der Fahrer einen optimalen Kontakt zur Lenkung bzw. zu Gas und Bremse hat. Auch wenn es nur zwei bis drei Millimeter sind“, sagt Buhmann.
„Das ist für mich ein selbstbestimmtes Leben, Freiheitsgefühl“, beschreibt Eleni Fischer ihre neue Situation. Sie könne jetzt auch einmal ihre Eltern zum Arzt fahren oder einkaufen gehen. „Das ist für mich das Höchste. Ich kämpfe für das, was ich möchte und motiviere mich selbst.“ Auf der Arbeit ist sie deshalb ausschließlich mit dem Rollstuhl aktiv.
Ihre Firma – das Jobcenter Rhein-Sieg – hat für Ihre Bemühungen den vilmA-Preis (vorbildlich, individuell, leistungsstark und motiviert in der Arbeitswelt) erhalten. Alle zwei Jahre werden vom VDK Nordrhein-Westfalen Firmen ausgezeichnet, die sich durch gesonderte Leistungen mit Blick auf die Teilhabe am Arbeitsplatz verdient gemacht haben. „Ich funktioniere so, weil meine Kollegen mich fordern und fördern“, sagt Eleni Fischer nicht ohne Stolz. Die Jury sei beeindruckt gewesen. Jede Abteilung hat etwas geschrieben und Unterschriften gesammelt.
Der erste Ausflug nach der Heimfahrt soll erst einmal zu den Kindern nach Coburg gehen. „Die sind schon ganz aufgeregt, das Auto und mich hinter dem Steuer live zu sehen.“ Doch Eleni Fischer hat noch größere Pläne: „Das Aufregendste ist, dass wir alle zusammen nach Griechenland fahren wollen – mit der Fähre“, freut sich Eleni Fischer. Doch in diesem Jahr sollte es – wenn es durch die Corona-Krise überhaupt noch möglich ist – eigentlich erst mal nach Italien gehen.