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Diskussion um alternative Antriebe seit den Dieselfahrverboten in Großstädten
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Hohe Anschaffungskosten bei geringen Reichweiten
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Barrierefreier Zugang in das Fahrzeug für Rollstuhlfahrer schwierig zu realisieren.
PFRONSTETTEN-AICHELAU. Die Debatte um die Dieselfahrverbote hat bei den Paravan-Kunden für große Verunsicherung gesorgt. „Über 95 Prozent unserer Kunden kaufen Dieselfahrzeuge, aus Gründen der Langlebigkeit und wegen des sparsamen Verbrauchs“, berichtet Marketingleiter Alexander Nerz. Zwar sind Fahrer mit einem entsprechenden Behindertenausweis per Gesetz von den Fahrverboten in den Städten ausgeschlossen, trotzdem: viele Kunden zögern die Kaufentscheidung für ein neues Auto heraus. „Auf der REHAB werden wir den Umbau eines Elektrofahrzeuges am Beispiel eines BMW i3 präsentieren - mit Gasring und Einstiegshilfe sowie Chancen der Elektromobilität aufzeigen, aber auch zeigen wo im Moment die Grenzen des Machbaren liegen.“
Im Moment stehen Elektrofahrzeuge noch eher selten in den Produktionshallen des PARAVAN-Mobilitäts-Parks in Aichelau. „Einige Tesla-Fahrzeuge, inklusive Technologieträger Cloui und diverse Industrieprojekte wurden bisher umgebaut“, berichtet Nerz. Aber die Anfragen nehmen zu. Aktuell wird beispielsweise ein Tesla Model 3 mit SpaceDrive und einem Gas-Bremsschieber auf der rechten Seite umgerüstet und mit einem Ladeboy Heck ausgestattet. Die Kunden könnten durchaus von dem Mehr an Technik bzw. Elektronik profitieren. Beim aktuellen Tesla-Projekt beispielsweise kam der Kunde mit der serienmäßigen elektronischen Lenkung, die mit einem Kraftaufwand von etwa 8 Nm zu steuern geht, zurecht. Herkömmliche Servolenkungen kommen dagegen nur auf Werte ab 14 Nm und mehr. Hinzukommt, dass sich der Wert bei höheren Geschwindigkeiten nach oben verändern kann. Für viele Fahrer mit einer neurologischen oder Muskelerkrankung ist dieser Kraftaufwand oft nicht realisierbar. Zudem kann der Fahrer so gut wie alle Assistenzsysteme, die im Auto verbaut sind, nutzen. Besonders von Nutzen: die automatische Fahrt auf Autobahnen von der Ein- bis zur Ausfahrt, einschließlich Autobahnkreuzen und Überholen von langsameren Fahrzeugen.
Im Bereich der Kompaktwagen sind bereits einige Modelle auf dem Markt, wie beispielsweise der BMW i3, Hyundai Kona, Audi Etron, e-Golf, Modelle von Tesla, Kia, Renault, Nissan, Jaguar oder demnächst der Mercedes EQC. Allerdings sind diese Modelle nur für Fahrer geeignet, die noch ausreichend Kraft zum Umsetzen haben und mit einer Rollstuhlverladehilfe zurechtkommen. Auch im Kleinbusbereich wird sich etwas tun: wie zum Beispiel der eSprinter oder der eVito von Mercedes Benz und im kommenden Jahr der VW-Kleinbus Bulli, der 2020 als elektrisches Modell auf den Markt kommen soll. Ähnliche Modelle sind auch von anderen Autokonzernen in Planung.
Aber es gibt ein weiteres Hemmnis: Wer mit einer körperlichen Einschränkung lebt, der ist auf barrierefreie Mobilität angewiesen. Und die ist aufgrund der Bauweise der Elektrofahrzeuge – vor allem durch die Position der Batterie – für die Fahrer erheblich eingeschränkt, die mit einem Rollstuhl direkt vor das Lenkrad fahren müssen.
„Der Einbau eines Liftes oder gar einer Verladerampe wird schwierig“, befürchtet Mario Kütt, Leiter der technischen Entwicklung bei der PARAVAN GmbH. „Die Akkus sitzen fast immer in der Bodengruppe, genau da, wo wir beim Umbau eingreifen und Änderungen an der Karosserie oder am Unterboden vornehmen.“ Hinzu kommt: Die zusätzlichen Geräte brauchen relativ viel Strom und das geht zu Lasten der Reichweite. „Für Transferkonsole oder Kassettenlift müssten aller Voraussicht zusätzliche Batterien eingebaut werden“, so der Techniker. Ob die herkömmlichen Kassettenlifte am Unterboden überhaupt weiterhin verbaut werden können, sei zudem noch unklar. „Vermutlich müssen wir hier über eine flachere Lösung nachdenken“, so Kütt. Auch das Gesamtgewicht des Fahrzeuges könnte zukünftig für Probleme sorgen. „Der Einbau eines innenliegenden Liftes wird aller Voraussicht nach weiterhin funktionieren.“ Allerdings sei diese Variante bei den Kunden nicht so beliebt, wissen die Kollegen von der technischen Kundenberatung.
Der Einbau von elektronischen Fahrhilfen, wie Joystick oder Gas-Brems-Schieber, sei dagegen kein Problem. „SpaceDrive ist eine Nachrüstlösung“, erklärt Rolf Gramenske vom technischen Vertrieb der Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG. „Wir machen mit den redundanten Servomotoren genau das, was auch der Mensch macht. Die Bedienungen von Gas und Bremse bzw. der Lenkungen sind letztendlich analog.“
Problematisch könnte auch der Ladevorgang unterwegs werden. Rollstuhlfahrer sind darauf angewiesen, genügend Platz zum Öffnen der Fahrertür bzw. für das Verlassen des Fahrzeuges über eine Rampe zu haben. Doch Parkplätze mit Ladestationen sind der Regel mit Standardbreite ausgelegt.
Ein weiteres Hindernis ist der deutlich höhere Anschaffungspreis. Deshalb seien die Kunden recht zögerlich, egal ob mit oder ohne Fahrzeuganpassung. „Als Chance sehe ich eventuelle höhere Fördermöglichkeiten bei der Beschaffung des Grundfahrzeuges“, meint Manuel Strohm, technischer Berater und zuständig für das Lizenzgeschäft bei PARAVAN. Für Fahrer die in den Rollstuhl umsetzen können und ausschließlich in der Stadt unterwegs sind, könnte das kleine wendige E-Mobil allerdings auch eine echte Alternative sein.